„Entscheidet euch, sonst entscheiden andere für euch“

Juniorwahl an der Ohmtalschule / Kreistagspolitiker diskutieren mit Schülern

(si). Politikverdrossenheit? Keine Spur! Wenn es um Parteien, Wahlprogramme und Kandidaten geht, wurde in den vergangenen Wochen an der Ohmtalschule (OTS) angeregt diskutiert. Wozu braucht man eine Fünf-Prozent-Hürde? Kann die NPD in den Bundestag kommen? Bleibt Angela Merkel Kanzlerin? Schüler vor allem der höheren Jahrgängen hatten viele Fragen, die im Powi-Unterricht besprochen wurden. Es wurden Wahlprogramme gesichtet und Werbespots geschaut, Wahlplakate diskutiert und schließlich in der Pausenhalle große Plakate aufgehängt, auf denen die Klasse 10 Ga die wichtigsten Informationen zu einzelnen Parteien aufgelistet hatte. Und dann ging es endlich an die Urne beziehungsweise zur Podiumsdiskussion mit Politikern des Kreistags, die von vielen Schüler sehnsüchtig erwartet worden war.

Zunächst waren alle Schüler der Klassen 6 bis 10 aufgerufen, im Zuge der Juniorwahl ihre Favoriten zu wählen. Für viele war es das erste Mal, dass sie an eine Urne durften. Der Ablauf war exakt wie bei der Bundestagswahl, sodass allen Schüler das Prozedere nun bekannt ist. Die Schüler der Klasse 10 Ga fungierten als Wahlhelfer und sorgten dafür, dass jeder Wahlberechtigte seine Stimme ordnungsgemäß in einer Wahlkabine abgeben konnte.

Das Ergebnis an der OTS war ein anderes als bei der Bundestagswahl. So stimmten gut 37 Prozent der Schüler mit ihrer Zweitstimme für die CDU, 24 Prozent für die SPD, 18 Prozent für die Grünen, FDP und Linke erhielten jeweils rund 5 Prozent, AfD 4,7 und Tierschutzpartei 3,3 Prozent. Alle anderen Parteien lagen deutlich unter diesen Ergebnissen.

Der klare Höhepunkt für viele war dann die anderthalbstündige Podiumsdiskussion für Schüler der Klassen 9 und 10, die von Holger Schäddel moderiert wurde. Schulleiter Carsten Röhrscheid appellierte zunächst an die Schüler, anders als viele Erwachsene später von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. „Es ist die falsche Entscheidung, nicht wählen zu gehen. Man muss mitentscheiden, was im Land passiert. Miteinander diskutieren, argumentieren und aktiv mitarbeiten, um eigene Interessen durchzusetzen“, so Röhrscheid. „Das Fach Politik und Wirtschaft kann sehr trocken sein, deshalb haben wir die Politik für euch an die Schule geholt“, erklärte Politiklehrer Marco Künz, der die Veranstaltung gemeinsam mit Schäddel sowie den Politiklehrern Janine Bausch und Benjamin Gauger organisiert hatte. Künz bedauerte, dass die Grünen kurzfristig ihre Teilnahme abgesagt hatten, die FW hatten erst gar nicht auf die Anfrage der Schule geantwortet.

Für viele Schüler war die Diskussionsrunde sicherlich die erste Begegnung mit Politikern, die zunächst sich und ihren Werdegang vorstellten. Danach stellten sich Stefan Paule (CDU), Swen Bastian (SPD), Mario Döweling (FDP), Dietmar Schnell (Linke) und Reinhard Eifert (AfD) Fragen, wobei schnell deutlich wurde, dass sich CDU, SPD, FDP und Linke immer wieder von der AfD abzugrenzen versuchten, wenn es um das Thema Flüchtlinge ging. „Die Grenzen dicht zu machen und die Menschen auszusperren, ist der falsche Weg“, sagte etwa Paule. „Wir sind uns alle einig – außer der AfD – dass beim Thema Flüchtlinge Ängste geschürt werden“, sagte Bastian. „Die AfD ist der Wolf im Schafpelz. Wir brauchen offene Grenzen“, ergänzte Schnell. „Wir müssen Flüchtlingen helfen und nicht die Schotten dicht machen“, so auch Döweling. Einzig Eifert sprach sich dafür aus, die Grenzen zu schließen und meinte, bei einem Besuch in Berlin habe er sich kürzlich gefragt, ob er in Istanbul sei. Auf Fragen von Schülern, ob er nicht an eine friedliche Koexistenz der Kulturen und an Menschlichkeit glaube, antwortete Eifert, diese Sichtweise sei idealistisch und die Deutschen könnten nicht die ganze Welt verbessern.

Auch wenn das Thema Flüchtlinge und Integration im Mittelpunkt der Veranstaltung stand, hatten die Schüler weitere, sehr interessante Fragen vorbereitet, die leider aufgrund der begrenzten Zeit nicht mehr alle ausführlich beantwortet werden konnten. So interessierten sich die Jugendlichen für das Verhältnis Deutschland-Türkei, die Ehe für alle, den Ausbau von schnellem Internet im Vogelsberg, kostenlose Kita-Plätze und den Krieg in Syrien.

Als es an die Schlussrunde ging, appellierte Bastian an die Schüler: „Steht für eure Interessen ein und entscheidet euch, sonst entscheiden andere für euch.“ Und Schnell rief den Jugendlichen zu: „Wählt, was ihr wollt. Wählt irgendeine demokratische Partei. Aber keine Faschisten“, und erhielt dafür tosenden Applaus. Im Nachgang der Veranstaltung sagten viele Schüler, sie hätten gerne noch länger mit den Politikern diskutiert und wären dafür auch gerne noch länger in der Schule geblieben. Einige nutzten die Gelegenheit, nach dem offziellen Ende noch mit den Kreistagsvertretern zu sprechen.

Um zu sehen, ob sich ihr Meinungsbild durch die Podiumdiskusion verändert hat, durften alle Schüler, die an der Veranstaltung teilgenommen hatten, schließlich noch einmal abstimmen. Dabei zeigte sich, dass Linke und FPD doppelt so viele Stimmen erhielten wie vor der Diskussion, die nicht anwesenden Grünen fielen ab auf gut 6 Prozent, die AfD auf 3,8.

Bilder: S. Falk