Hellwach auch in dunklen Zeiten

Projekttage gegen Ausgrenzung – Zeitzeuge „Sonny“ appelliert an OTS-Schüler

Ausgrenzung, Rassismus, Radikalisierung – noch immer sind diese Themen überall im Alltag präsent, auch im Leben vieler Jugendlicher. Leider. Doch was kann man dagegen tun? Wie kann man Schüler dafür sensibilisieren, diesen Dingen entschieden entgegenzutreten? Nicht wegzusehen oder wegzuhören, wenn Menschen in ihrem Umfeld diskriminiert werden?

Diese Fragen stellten sich OTS-Powi-Lehrer Phillip Künz und „Respekt Coach“ Sophia Löwe und organisierten ein ganz besonderes Zeitzeugengespräch. Niemand anderes als der bekannte, über 90-jährige Helmut „Sonny“ Sonneberg aus Frankfurt/Main, Überlebender des Konzentrationslagers Theresienstadt, sollte den Homberger Schülern von seinen schrecklichen Kindheitserinnerungen berichten, als er als „Juddebub“ unter den Nazis aufs Schlimmste angefeindet und fast ermordet worden wäre.

Sonny während des Videodrehs mit OTS-Schülern in Frankfurt. Bild: Hauer

Sonny, eingefleischter Fan der Frankfurter Eintracht und inzwischen dank mehrerer TV-Auftritte weit über die Grenzen der Mainmetropole bekannt, hatte bereits im Mai dem Homberger Lehrerkollegium gut zwei Stunden lang im Frankfurter Stadion Rede und Antwort gestanden. In breitestem Frankfurter Dialekt, ohne Punkt und Komma, ohne Blatt vor dem Mund, wie eine Naturgewalt, alle Zuhörer sofort in seinen Bann ziehend. Klare Kante zeigen, immer und überall, lautet seine Devise. Und die macht er sehr deutlich. Er sei sein ganzes Leben lang Pazifist gewesen, aber wenn heute einer käme und den Holocaust leugne, dann „haue ich dem aufs Maul“. Er hat sie gesehen, die ausgemergelten Körper und übereinandergestapelten Leichen, damals, als er aus dem KZ kam und als Jugendlicher gerade noch 27 Kilogramm wog.

Die Ohmtalschüler und ihre Begleiter im Stadion der Frankfurter Eintracht.

All das und noch viel mehr wollte Sonny den Ohmtalschülern berichten – doch seine Gesundheit lässt derart anstrengende Reisen leider nicht zu. Also fuhren zwei Dutzend OTS-Schüler mit Aufnahmetechnik kürzlich an den Main und drehten ein gut 40-minütiges Video, in dem die Schüler dem Zeitzeugen jede Mengen Fragen stellen durften, die sie zuvor in ihren Klassen erarbeitet hatten. Trotz seiner angegriffenen Gesundheit beantwortete Sonny alle Fragen, sprach über seine eigene leidvolle Kindheit, über die Jahre, an denen er im Waisenhaus leben musste, nicht auf die Straße gehen durfte, weil das zu gefährlich war, angespuckt wurde von anderen Kindern und wie ein Aussätziger behandelt. Und über seine Zeit im KZ.

Die Homberger Gruppe besuchte auch das Eintracht-Museum.

Diese Video wurde während zweier Projekttage allen Klassen der Jahrgangsstufen 7 bis 10 in der Aula gezeigt, eingebettet in einen Vortrag zum Thema Ausgrenung und in eine lebhafte Diskussion zum Thema. Phillip Künz und Sophia Löwe informierten über Gründe, warum Menschen sich heute noch radikalisieren, wobei es um „Push“- (fehlende Zugehörigkeit, Ängste) und „Pull“- Faktoren (Gemeinschaftsgefühl) ging, die entweder dafür sorgen, dass man in eine radikale Richtung geschoben oder gezogen wird. Zudem wurden die Unterschiede zwischen Radikalisierung und Extremismus behandelt. Zuletzt wurde darüber geredet, welche Anzeichen es geben kann, dass eine Person im eigenen Umfeld sich radikalisiert, zum Beispiel ein geschlossenes Weltbild entwickelt, sich zurückzieht, sich verändert oder sich gar aggressiv verhält. Die sich anschließende Diskussion, bei der Schüler von eigenen Erfahrungen berichteten, zeigte, wie vielfältig Ausgrenzung sein kann: aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der eigenen Meinung, des Aussehens, einer Behinderung usw. „Seht nicht weg, wenn jemand ausgegrenzt wird, wehrt euch, setzt euch ein“, appellierte Künz an die Schüler.

Oder wie es Sonny formulieren würde: „Passt auf, bleibt wach! Hellwach!“

Text: S. Simon, E. Schwarz

Fotos: M. Hauer

(Presse-Team)